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Sonnenlicht

Wissen über das Sonnenlicht ist wichtig für die Terraristik

Bei der Frage, welches Haltungskonzept “richtig” ist, gibt es verschiedene Ansätze zur Beantwortung, die meiner Ansicht nach alle drei sinnvoll sind aber auch ihre Grenzen haben und daher kombiniert werden müssen.

Ich will hier möglichst viele Informationen über natürliches Tageslicht zur Verfügung stellen. Das Sonnenlicht ist die primäre Energiequelle auf der Erde. Reptilien sind als wechselwarme Tiere viel mehr als Säugetiere auf diese Energiequelle angewiesen. Gleichzeitig ist diese Ressource nahezu kostenlos. Bis auf die Gefahr der Austrocknung und die Exposition im direkten Sonnenlicht und damit vor den Augen von Fressfeinden, ist das Sonnenbaden mit keinen weiteren Nachteilen verbunden. Evolution ist zwar kein “intelligent Design”, dennoch liegt man in den meisten Fällen richtig, wenn man annimmt, dass diese natürlichen Bedingungen auch gleichzeitig die optimalen Bedingungen darstellen. Eine Art, die sich bei hohen Licht- und UV-Mengen entwickelt hat, wird ihren Organismus mit großer Wahrscheinlichkeit so ausgerichtet haben, dass sie auf diesen hohen Licht und UV-Mengen angewiesen ist um langfristig gesund zu bleiben. Die natürlichen Bedingungen als Referenz im Terrarium zu nutzen ist daher mit großer Wahrscheinlichkeit richtig.

Typische Zusammensetzung des Sonnenlichts auf einer offenen Fläche

Referenzsonnenspektrum der American Society for Testing and Materials (Luftmasse 1.5, Zenitwinkel 48°)

Wenn über “das” Sonnenlicht gesprochen wird, ist oft das Sonnenspektrum der ASTM (American Society for Testing and Materials) oder ähnliche Spektren gemeint. Das ASTM-Spektrum ist frei verfügbar und zeigt das typische Tageslichtspektrum bei 48° Zenitwinkel (Sonnenhöhe 42°) auf einer offenen Fläche. Sonnenhöhe 42° entspricht z.B. 10:00 Vormittags im Juni. Allerdings ist das Tageslicht sehr(!) variabel und das Spektrum und die Intensität ändern sich im Tagesverlauf, Jahresverlauf und je nach Ort (offene Fläche, Wald, …).

Bestrahlungsstärke Prozent
UVB (280nm-315nm) 68 µW/cm² 0,07%
UVB (280nm-320nm) 150 µW/cm² 0,15%
UV-Index 3.7
UVA (315nm-400nm) 4'500 µW/cm² 4,5 %
sichtbar (400nm-700nm) 43'000 µW/cm² (120'000 lx) 43%
IRA (700nm-1,4µm) 42'000 µW/cm² 42%
IRB (1,4µm-3µm) 10'000 µW/cm² 10%

Übrigens: Aussagen, wie “das Sonnenlicht hat im Sommer 100.000 Lumen” sind in diesem Zusammenhang, und im Vergleich mit der Verwendung der Einheit Lumen bei Lampen unsinnig. Mit der gleichen Definition wie bei Lampen hat die Sonne eine “Helligkeit” von etwa 46'000'000'000'000'000'000'000'000'000 Lumen1). Die Form des Sonnenspektrums ist so, dass auf 1 Watt Strahlungsleistung 120 Lumen kommen (120 lm/W). Auf 1 Watt sichtbarer Strahlungsleistung kommen 280 Lumen (280 lm/W) - das ist die maximal mögliche Effizienz die Lampen erreichen könnten, wenn sie ein Spektrum identisch zum Sonnenspektrum abstrahlen und die elektrische Energie vollständig in Licht umwandeln.

Helligkeit des Tageslichts

Die Helligkeit des Tageslichts verändert sich im Tages- und Jahresverlauf über mehrere Magnituden! Eine sternklare Neumondnacht ist nur 0,001 lux hell, eine Vollmondnacht maximal 0,2 lux und bei maximalem Sonnenstand werden fast 150.000 lux erreicht - dazwischen liegt ein Faktor 108! Uns erscheint auch ein Büroarbeitsplatz mit 500 lux angenehm hell und vor dem Fenster scheint es nur etwas heller. Dass es draußen nicht nur doppelt oder zehn mal sondern sogar 100 mal so hell ist, erkennt unser Auge nicht. Unser Hormonsystem und das von Reptilien werden von dem Helligkeitsunterschied trotzdem beeinflusst. Viele Reptilien sind heliophile Tiere, die das intensive Sonnenlicht suchen und auch die Helligkeit für ihre Gesundheit brauchen.

Wer nicht ausschließlich mit einem Smartphone fotografiert, sondern mit einer Kamera auf der ISO, Belichtungszeit und Blendenzahl eingestellt werden, weiß um die große Variation der Helligkeiten. Es kann augenöffnend sein, einmal mit den Kameraeinstellungen für eine Sommerwiese ein Foto des Terrariums zu machen.

Aber nicht nur im Tagesverlauf verändert sich die Helligkeit enorm, im Jahresverlauf verändert sich die Helligkeit und die Tageslänge - um so stärker je weiter der Ort vom Äquator entfernt ist. Auch diese Veränderung von Tageslänge und Helligkeit beeinflusst Reptilien (Winterruhe, Paarungsbereitschaft, …)

Beleuchtungsstärke im Jahres- und Tagesverlauf in Athen

Es gibt zahlreiche kostenlose Tools um die Sonnenhöhe oder die Bestrahlungsstärke zu berechnen. • Sonnenwinkel, Sonnenauf- und Untergang zeigt die auf google-maps aufgesetzte Seite sonnenverlauf.de.
• Einen Excel-Rechner für die Sonnenhöhe stellt z.B. die NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) zur Verfügung.
• Für verschiedene Sonnenwinkel und auch Bestrahlungsstärke gibt es Python-Code, z.B. PySolar.
• Das komplette Sonnenspektrum an verschiedenen Orten, Tageszeiten und Atmosphärenbedingungen kann man sich mit diesem Rechner für Solaranlange erzeugen lassen PVlighthouse.com.au
• Eine sehr vereinfachen Formeln für die Beleuchtungsstärke in Abhängigkeit der Sonnenhöhe enthält [15Coaton, J. R., & Marsden, A. M. (Eds). (1996). Lamps and lightning 5th ed. Butterworth Heinemann.]: $E = 128\mathrm{klx} \cdot \mathrm{e}^{-0.5\cdot\mathrm{cosec}(\alpha)}$2) mit der Sonnenhöhe als Funktion von Deklination (δ), Breitengrad (δ) und Tageszeit (t): sin(α) = sin(β)sin(δ) - cos(β)cos(δ)cos(15t).

Veränderliches Sonnenlicht an verschiedenen Tages/Jahreszeiten und Orten

Tageslicht setzt sich zusammen aus aus direktem Sonnenlicht, das Licht das in der Atmosphäre (Himmelslicht) oder in Wolken gestreut wurde, sowie Licht, das an Gegenständen reflektiert oder durch z.B. Blätter gefiltert wurde. Je nach Tageszeit und Ort variiert das Tageslichtspektrum enorm. In der Lampendatenbank befinden sich einige Sonnenspektren in verschiedenen Situationen.

Veränderung mit dem Sonnenstand: Himmelslicht und Sonnenlicht

Prozentualer Anteil des direkten Sonnenlichts an der Globalstrahlung [69]: Während bei 10° Sonnenstand insgesamt 88% der Globalstrahlung Himmelsstrahlung sind, sind es bei 90° Sonnenstand nur noch 29%. Selbst bei 90° Sonnenstand kommen noch 70% der Strahlung bei 300 nm vom Himmel und nicht direkt von der Sonne.
Besonders bei tiefem Sonnenstand und Schnee sieht man den deutlichen Kontrast zwischen gelblich-weißem direkten Sonnenlicht und den Schatten, wo nur bläuliches Himmelslicht den Boden erreicht.

Nur ein Teil des Lichts erreicht den Erdboden auf direktem Weg von der Sonne, der andere Teil wird in der Atmosphäre gestreut, es kommt als Himmelsstrahlung auf den Erdboden. Die Summe aus direkter Sonnenstrahlung und Himmelslicht heißt Globalstrahlung. Die Wassermoleküle, Staubteilchen etc. in der Luft streuen hohe Frequenzen besonders stark. Man nennt diesen Vorgang Rayleigh-Streuung. Er bewirkt dass aus dem direkten Sonnenstrahl die hohen Frequenzen (blaues Licht) herausgefiltert werden, und nur die niedrigen Frequenzen (gelbes, rotes Licht) als direkte Sonnenstrahlung übrig bleiben. Die höheren Frequenzen (blaues Licht und UV) erreichen als Himmelslicht den Erdboden. Diese Filterung ist um so stärker, je dicker die Luftschicht ist, die das Sonnenlicht durchdringen muss. Daher ist die Sonne rot gefärbt, wenn sie nahe am Horizont steht. Der Anteil der Himmelstrahlung variiert mit dem Sonnenstand und der Wellenlänge [69Schulze, R. (1982). Strahlenklima der erde. Steinkopff Dr. Dietrich V.]. Während bei 10° Sonnenstand insgesamt 88% der Globalstrahlung Himmelsstrahlung sind, ist es bei 90° Sonnenstand nur noch 29%. Selbst bei 90° Sonnenstand kommen noch 70% der Strahlung bei 300 nm vom Himmel und nicht direkt von der Sonne [69Schulze, R. (1982). Strahlenklima der erde. Steinkopff Dr. Dietrich V.].

direktes Sonnenlicht [70]
Himmelslicht [70]

Spektrum und Farbtemperatur des Tageslichts

Farbtemperatur im Tagesverlauf und je nach Wetter, siehe auch diese Grafik

Die Farbtemperatur gibt an, welchen Farbeindruck das Licht auf den Menschen hat. Sie variiert im Tagesverlauf je nach Mischung von Himmels- und Sonnenlicht. Die Farbtemperatur zeigt uns direkt die Wettersituation an, niedrigere Farbtemperatur signalisieren sonniges und warmes Wetter, hohe Farbtemperaturen kühles, bewölktes, regnerisches Wetter. Ich vermute stark, dass Reptilien diese veränderte Farbtemperatur ebenfalls wahrnehmen. Sie sind ja noch viel stärker darauf angewiesen, die Wärme der Sonnenstrahlung schnell zu beurteilen. Da die Berechnung der Farbtemperatur von Lampen aber auf dem menschlichen Farbsehen beruht, sind die Kelvin-Werte von Lampen für Reptilien nicht auf natürliches Tageslicht übertragbar. Eine Lampe mit 6500 Kelvin hat für Reptilien oft nicht die gleiche Farbe wie das Tageslicht zur Mittagszeit. Mehr zu Unterschiedliche Lampen und ihr Farbeindruck auf Reptilien

In den 1960ern wurde das Tageslichtmodell der CIE (Commission Internationale de l’Éclairage) entwickelt, das für jede Farbtemperatur zwischen 4000 Kelvin und 25000 Kelvin ein Tageslichtspektrum als Überlagerung von drei Ausgangsspektren ($S_0(\lambda)$, $S_1(\lambda)$, $S_2(\lambda)$) erzeugt [1212Hunt, R. W. G., & Pointer, M. R. (2011). Measuring colour. John Wiley & Sons, Ltd.]. Das Modell sagt aber nichts über die Helligkeit aus. [1210Spitschan, M., Aguirre, G., Brainard, D. H., & Sweeney, A. (2016). variation of outdoor illumination as a function of solar elevation and light pollution. Scientific Reports, 6(26756).] haben ein komplexeres Modell entwickelt, das auch die Tageslichtspektren bei Dämmerung vorhersagt.

Spektrum des Tageslichts zu verschiedenen Tageszeiten und Situationen, die Linienfarbe entspricht dem Farbeindruck des Lichts.
Zugehörige Farborte der Tageslichtspektren im CIE-Farbraum des Menschen.

Veränderung durch die Umgebung: Licht im Wald

Infrarot-Foto einer Sommerlandschaft mit Gras und Bäumen: Gras und Blätter sind hell, da sie tief-rotes Licht und Infrarot-A (ab 700 nm) stark reflektieren. Für eine Schildkröte, die weiter in den Rotbereich hinein sehen kann als der Mensch, sind Gras und Blätter nicht grün sondern tief-rot.

Zusätzlich zur unterschiedlich starken Streuung in der Atmosphäre, die das Spektrum des Tageslichts verändern, tun das auch Reflexion und Filterung an Gegenständen auf der Erde. Im verschiedenen Waldhabitaten tragen diese Lichtquellen zu unterschiedlichen Anteilen zur Helligkeit bei. Die genaue Zusammensetzung der Vegetation spielt dabei kaum eine Rolle. Endler [340Endler, J. A. (1993). The color of light in forests and its implications. Ecological Monographs, 63(1), 1–27.] unterscheidet vier typische Habitate:

  1. Waldschatten (forest shade)
    Die Kronen der Bäume überlappen und bilden ein dichtes Blätterdach, das nur von wenigen kleinen Lücken durchbrochen wird. Nur Licht, das im Blätterdach gefiltert wurde, erreicht den Boden. Das Licht ist grünlich bis gelb-grün. Im Spektrum gibt es einen breiten Peak bei 550nm und einen steilen Anstieg ab 680nm. Diese hohe IRA-Intensität kommt von den “grünen” Blättern, die neben ihrer grünen Farbe noch sehr viel dominiertender “IRA-gefärbt” sind.
  2. Lichtverhältnisse im Wald [724]

    Baumschatten (woodland shade)
    Die Kronen von Baumgruppen überlappen nicht, so dass es große und kleine Lücken im Blätterdach gibt. Lichtquellen sind das im Blätterdach gefilterte Licht und Himmelslicht. Das Licht hat eine bläuliche bis blau-grau Farbe. Der kurzwellige blau und UVA-Anteil im Spektrum ist ausgeprägt.

  3. Sonnenflecken (small gaps)
    Kleine Sonnenflecken im Wald entstehen durch Lücken im Blätterdach. Die Lücken im Blätterdach wirken wie eine Lochkamera und bilden die Sonne auf den Boden ab. Die Größe der Sonnenabbilder entsprechen daher der scheinbaren Größe der Sonne. Da die Lücken sehr klein sind kommt nur das Licht der abgebildeten Sonne und das durch die Vegetation gefilterte Tageslicht am Boden an, nicht aber das Licht des Himmels oder der Wolken. Das sehr viel hellere Sonnenlicht dominiert das Spektrum. Das Licht ist rötlich mit einen ausgeprägten Anteil langer Wellenlängen.
  4. Offen / Große Lücken (open, large gaps)
    Die Lücken im Blätterdach sind sehr groß, der Wald geht in offenes Gelände über. Das Licht setzt sich aus allen vier Quellen (Sonne, Himmel, Wolken, Vegetation) zusammen, da aber das reflektierte Licht der Vegetation nur eine sehr geringe Intensität hat, beeinflusst es das Spektrum kaum. Das Licht ist weiß und das Spektrum sehr homogen.

Schattenbildung durch Sonnenlicht

In der folgenden Bildserie nehmen wir auch ohne Bildunterschrift direkt die Wettersituation wahr. Das geschieht nicht nur durch die Farbtemperatur sondern sehr stark auch durch den Kontrast der Schatten. Starke hell-dunkel-Kontraste der Schatten des Baumes signalisieren uns intensive Sonnenstrahlung und gutes Wetter. Ein Punkt den man auch bei der Terrarienbeleuchtung berücksichtigen kann: Während Leuchtstoffröhren eher die gleichmäßige Ausleuchtung eines bewölkten Tages nachbilden schaffen HCI-Strahler die kontrastreiche Schattenbildung der direkten Sonne. Diesen Punkt betonen auch [549Kober, I., & Geissel, U. (2006). Grundlagenwissen terrarienbeleuchtung: Ein schlüssel zur erfolgreichen haltung. Terraria, (1), 6–16.].

Sonnig, vormittags, 6000
Sonne, mittags, 12000

Regen, 2400
Nebel, 6000

Abenddämmerung, 100

Diese Bildserie wurden mit konstantem Weißabgleich (5000K) aufgenommen und zeigt daher die unterschiedliche Lichtfarbe. Eine konstante Blende/ISO/Belichtungszeit hat nicht zum gewünschten Ergebnis geführt. Bei jedem Bild ist daher $250\cdot f^2\dot T/ISO$ ($f$: Blendenzahl, $T$: Kehrwert der Belichtungszeit) angegeben, was ein Maß für die Helligkeit ist und bei mittlerer grauer Bildzahl etwa der Beleuchtungsstärke (lux) entspricht.

Infrarotstrahlung

Referenzsonnenspektrum der ASTM (Luftmasse 1.5, Zenitwinkel 48°) zusammen mit dem Schwarzkörperspektrum für 5800 KDie Sonne strahlt als näherungsweise schwarzer Strahler mit einer Oberflächentemperatur von etwa 5.800 Kelvin. Durch Absorption in der Atmosphäre erreichen nicht alle Teile des Spektrums die Erdoberfläche. Wasserdampf in der Atmosphäre filtert große Bereiche des IR-Bereichs aus dem Sonnenlicht.

Absorption findet statt durch

In der Summe wird bei senkrechtem Sonnenstand 17,7% der Strahlung in der Atmosphäre absorbiert (0,3% Sauerstoff, 1,8% Ozon, 4,1% Aerosol, 4,7% Rayleighstreuung, 6,8% Wasserdampf) [69Schulze, R. (1982). Strahlenklima der erde. Steinkopff Dr. Dietrich V.].

Da alle Lebewesen einen hohen Wassergehalt im Gewebe haben, kommt der Filterung von IR-Strahlung in der Atmosphäre durch Wasserdampf eine hohe Bedeutung zu. Gerade die Wellenlängenbereiche die besonders stark zur Erhitzung des Wassers beitragen, werden aus der natürlichen Sonnenstrahlung heraus gefiltert.

Mehr zu Wärmestrahlern für Reptilien im Vergleich zum Sonnenlicht

Das IR-Spektrum ändert sich im Tagesverlauf. Ein Datensatz ist hier erhältlich: https://datahub.duramat.org/dataset/metadata/gni-spectra-abq

UV-Strahlung

Die Ozonschicht der Erde filtert aus der UV-Strahlung der Sonne UV-C komplett heraus. Die Intensität der UVB Strahlung wird stark abgeschwächt (ca 90%!). Nur die UVA-Strahlung kann die Ozonschicht nahezu ungehindert passieren.

Prozentualer Anteil des direkten Sonnenlichts an der Globalstrahlung [69]

UV-Strahlung wird aufgrund der kurzen Wellenlänge stark in der Atmosphäre gestreut. Die Intensität der sogenannten Rayleigh-Streuung (eine Näherung für Streuung an kleinen Teilchen) verläuft mit der vierten Potenz der Frequenz. Das ist die Ursache für den blauen Himmel. Da UV-Strahlung noch kurzwelliger als blaues Licht ist, ist leicht einzusehen, dass die UV-Strahlung die uns indirekt vom Himmel aus erreicht im Vergleich zur direkten UV-Strahlung aus Richtung der Sonne einen großen Anteil einnehmen muss. Tatsächlich ist die UV-Strahlung des blauen Himmels oft 10 bis 20 mal stärker als die UV-Strahlung aus Sonnenrichtung [69Schulze, R. (1982). Strahlenklima der erde. Steinkopff Dr. Dietrich V.]. Selbst bei 60° Sonnenstand kommt Licht mit 300 nm Wellenlänge nur zur etwas mehr als 20% direkt von der Sonne (siehe Grafik). Weil die UV-Strahlung hauptsächlich vom Himmel kommt, reicht UV auch weit in den Schattenbereich von Bäumen und kleinen Höhlen hinein. Sie erreicht dort auch Reptilien, die nicht in der direkten Sonnenstrahlung sonnen und nacht- und dämmerungsaktive Reptilien in ihren Tagverstecken. Diese diffusere Verteilung der UVB-Strahlung wird besser durch Leuchtstoffröhren als durch HQI-Strahler nachgebildet. Auch Menschen sollten beachten, dass die UV-Strahlung deutlich stärker ist, wenn viel Himmel sichtbar ist. Am Strand, auf einer weiten Wiesen oder auf einem Berg ist die UV-Strahlung wegen der großen sichtbaren Himmelsfläche mehr als doppelt so intensiv wie UV-Strahlung die mit dem direkten Sonnenlicht auf einen Balkon gelangt, wo nur eine kleiner Anteil des Himmels sichtbar ist.

Sonnenspektren im Tagesverlauf [10]

Im Tagesverlauf verändert sich die Intensität der UV-Strahlung stärker als die Intensität des sichtbaren Lichts. Zusätzlich zur Intensität verändert sich auch das Spektrum hin zu kürzeren Wellenlängen. Bei niedrigem Sonnenstand ist kaum Strahlung unterhalb von 310 nm erkennbar. Der Bereich zwischen 300 nm und 310 nm füllt sich erst bei höherem Sonnenstand, der UVB-Bereich wächst im Vergleich zum UVA-Bereich [10Bernhard, G., Mayer, B., & Seckmeyer, G. (1997). Measurements of spectral solar uv irradiance in tropical australia. Journal of Geophysical Research, 102(D7), 8719–8730.]. Strahlung zwischen 290 nm und 300 nm ist auch bei höherem Sonnenstand kaum vorhanden. Die unterschiedliche spektrale Zusammensetzung zeigt sich beispielsweise am Verhältnis zwischen erythem-wirksamer (Sonnenbrand) und Vitamin-D-wirksamer Dosis zu verschiedenen Tageszeiten. Während Vormittag und Nachmittag beide Effekte etwa gleich stark sind, ist bei hohem Sonnenstand zur Mittagszeit die Vitamin D Wirkung etwa doppelt so groß wie die Erythemwirkung [373Sayre, R. M., Dowdy, J. C., Shepherd, J., Sadiq, I., Baqer, A., & Kollias, N. (1998). Vitamin d vs erythema: effects of solar angle & artificial sources. In M. F. Holick & E. G. Jung (Eds), Biologic effects of light 1998 (pp. 149–152).Kluwer Academic Publishers.].

Für die Intensität der UV-Strahlung hat sich in den letzten Jahren sowohl in der Reptilienhaltung als auch beim Wetterbericht der UV-Index durchgesetzt. Der UV-Index steigt im tagesverlauf an, erreicht Mittags seinen höchsten Wert und fällt zum Abend hin wieder ab. Eine sehr schöne Anzeige der aktuellen UV-Indizes weltweit habe ich beim Finish Meteorological Institute gefunden.

Screenshot der Webseite der ARPANSA

Für Australien gibt es im Minutentakt gemessene Werte bei der Australian Radiation Protection and Nuclear Safety Agency (ARPANSA).

Mehr zum Konzept der Ferguson Zonen, die den passenden UV-Index für verschiedene Reptilien festlegen.

Sonnenspektren zwischen 290 nm und 400 nm kann man mit der Software fastrt vom Norwegischen Institut für Luftforschung für verschiedene Orte, Tages- und Jahreszeiten und Luftparameter kostenlos selbst erzeugen.

Dämmerung

Sobald die Sonne unter den Horizont gesunken ist spricht man von Dämmerung [1210Spitschan, M., Aguirre, G., Brainard, D. H., & Sweeney, A. (2016). variation of outdoor illumination as a function of solar elevation and light pollution. Scientific Reports, 6(26756).]. Dann erreicht nur noch das gestreute Licht die Erdoberfläche. Man unterscheidet drei Phasen:

Mondlicht

Vollmond mit Wolken. Der Vollmond ist gelblich-weiß, nicht blau.

Der Mond reflektiert das Sonnenlicht auf die Erdoberfläche. Daher ist Mondlicht fast identisch zum Sonnenlicht. Nur die kürzeren Wellenlängen werden etwas stärker abgeschwächt. Die Farbtemperatur beträgt etwa 4500K. Eine Landschaft mit Vollmond, die mit einer entsprechend langen Belichtungszeit aufgenommen wurde, wirkt auf den ersten Blick wie ein Foto am helllichten Tag. Beispiele: Landschaft in West-Texas, 30s, f/3.5, ISO 800, Mondaufgang, 30s f/22 ISO 100, Landschaft, 30s, f/2.5 ISO 250

Spektrum Vollmond [1406]
Spektrum Vollmond im Vergleich zum Sonnenlicht [1406]

Auch wenn obige Bilder und Spektralmessungen ([70Smith, H. (1982). Light quality, photoperception, and plant strategy. Annual Review of Plant Physiology, 33, 481–518.; 1366Klein, S., & Goodman, B. (2023). Moonlight. IMPACT Printmaking Journal, (6), 19.; 1367Ciocca, M., & Wang, J. (2013). By the light of the silvery moon: Fact and fiction. Physics Education, 48(3), 360.; 1406van der Steen, M. Spectrum of moon light. Retrieved June 8, 2024, from https://olino.org/blog/ ... /spectrum-of-moon-light])des Mondlichts klar zeigen, dass Mondlicht gelblich-weiß ist und keinesfalls blau, hat sich in vielen Köpfen die Vorstellung festgesetzt, das Mondlicht sei blau. Woher diese Vorstellung kommt, ist mir unbekannt. Sie ist um so überraschender, als wir bei so wenig Licht sowieso keine Farben mehr sehen können (“nachts sind alle Katzen grau”). Ich habe dazu drei Thesen:

Helligkeit des Mondlichts

Je nach Mondphase ist von der Erde aus eine unterschiedlich große beleuchtete Fläche des Mondes zu sehen. Bei Vollmond ist die sichtbare Fläche doppelt so hoch wie bei Halbmond. Dennoch ist die Helligkeit des Vollmondes nicht doppelt sondern zehn mal so hoch, wie die des Halbmondes. Grund hierfür ist der in der Astronomie als Oppositionseffekt bezeichnet Vorgang der kohärenten Rückstreuung und shadow hiding. Exakt bei Vollmond (Mondphase 0°) ist der Mond noch einmal 40% heller als wenige Stunden davor (Mondphase 4°)[804Buratti, B. J., Hillier, J. K., & Wang, M. (1996). The lunar opposition surge: Observations by clementine. Icarus, 124(2), 490–499.].

Helligkeitswerte des Mondlicht lassen sich auf lunalink.de für verschiedene Standorte berechnen. Der einheitenlose Wert lässt sich x 0,03 in Lux umrechnen (Maximalwert 10 = 0,3 lx).

Die Beleuchtungsstärke durch den Vollmond liegt nur bei 0.0002% der Beleuchtungsstärke zur Mittagszeit, erscheint uns aufgrund des nichtlinearen Helligkeitsempfinden des Auges aber oft wesentlich heller, typische Werte sind:
• Vollmond im Zenit (“super moon”): 0,3 lx = 0,14 µW/cm² [1237Kyba, C. C. M., Mohar, A., & Posch, T. (2017). How bright is moonlight? Astronomy & Geophysics, 58(1), 1.31–1.32.]
• Vollmond: 0,21 lx = 0,10 µW/cm² [70Smith, H. (1982). Light quality, photoperception, and plant strategy. Annual Review of Plant Physiology, 33, 481–518.]
• Halbmond im Zenit: 0,03 lx = 0,014 µW/cm²
• Neumond/Sternenhimmel: 0,002 lx = 0,001 µW/cm²

Blaue LED Mondlichter ?

Gehäuft werden in den letzten Jahren blaue LEDs als Mondlicht beworben. Diese Nachtbeleuchtung ist aus vielen Gründen unsinnig:

Wenn ein Terrarium als tatsächlich nachts beleuchtet werden muss, sollte immer stark gedimmtes weißes Licht verwendet werden. Allerdings hat selbst eine 0,3 W warmweiße LED mit E14-Fassung noch etwa 12 Lumen - vereilt auf 1m² Terrarienfläche im Mittel 12 Lux und damit vier mal so hell wie Vollmondlicht. Es bieten sich auch Selbstbau-Lösungen mit einer schwachen LED im Inneren eines Tischtennisballs an.

Licht unter Wasser

Reines Wasser ist sehr transparent im sichtbaren und UV-Bereich. Lediglich Infarotstrahlung und rotes Licht werden sehr schnell absorbiert. In großen Wassertiefen ist das Licht wegen des fehlenden Rot-Anteils bläulich. Das gilt aber nur für sauberes Wasser. Besonders wenn gelöster organischer Kohlenstoff im Wasser ist, wird UV Strahlung schnell absorbiert. Bei realen Gewässern gibt es daher eine große Spannbreite, wie tief UV-Strahlung ins Wasser dringt. In verschiedenen Teilen des Ontonagon-Flusses war bei 2 cm bis 45 cm nur noch 1% der UVB-Strahlung und nach 6 cm bis 103 cm nur noch 1 % UVA-Strahlung vorhanden [727Frost, P. C., Larson, J. H., Kinsman, L. E., Lamberti, G. A., & Bridgham, S. D. (2005). Attenuation of ultraviolet radiation in streams of northern michigan. Journal of the North American Benthological Society, 24(2), 246–255.]. In klaren Seen ist teilweise erst nach 27 m Tiefe kein UVB und 45 m Tiefe kein UVA mehr vorhanden [734Morris, D. P., Zagarese, H., Williamson, C. E., Balseiro, E. G., Hargreaves, B. R., & Modenutti, B., et al. (1995). The attenuation of solar uv radiation in lakes and the role of dissolved organic carbon. Limnology and Oceanography, 40(8), 1381–1391.].

Mit dem Labert-Beer-Absorptionsgesetz kann berechnet werden, wie viel Prozent des Lichts nach einer Wasserdicke $d$ noch vorhanden ist $\frac{I}{I_0}=e^{-\alpha d}$. Der Absorptionskoeffizient $\alpha = \frac{4\pi\kappa}{\lambda}$ oder der Imaginärteil des Brechungsindex $\kappa$ sind in der Literatur dokumentiert 4)

Literatur

[15] Coaton, J. R., & Marsden, A. M. (Eds). (1996). Lamps and lightning 5th ed. Butterworth Heinemann.
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[884] Goetz, M. 2014, Nachtbeleuchtung – warum wir rot- oder blaulicht vermeiden sollten. Unpublished paper presented at 50. Jahrestagung für Herpetologie und Terrarienkunde, Bonn.

1)
Überschlagsrechnung: gesamte Bestrahlungsstärke außerhalb der Erdatmosphäre: 1355 W/m² = 162'600 lx; Abstand Sonne-Erde: 150×106km; von der Sonne bestrahlte Fläche 4πr² ⇒ 162'600 lx × 4 × π × (150×109 m)² = 4,6×1028 lm
2)
allerdings ist die maximale Beleuchtungsstärke nur 77 klx
3)
V(λ=470nm)=0.13; 0.13*680lm/W=0.8879lx/(µw/cm²
4)
Edward Palik: “Handbook of optical constants of solids II”, Academic Press, 1991, Wasser S. 1059-1078