Nicht nur Pfadfinder wissen, dass die Sonne morgens im Osten steht, mittags im Süden und abends im Norden. Diese Information nutzen Menschen seit Langem zur Orientierung. Auch Reptilien sind dazu in der Lage.
Echsen kehren sehr schnell und auf direktem Weg in ihr Revier zurück, wenn man sie einfängt und einige hundert Meter entfernt wieder aussetzte (siehe Parietalauge und Orientierung).
In einer Studie haben Wissenschaftler Stachelleguane (Sceloporus jarrovii) eingefangen und etwas mehr als eine Woche im Terrarium gehalten. Bei der Hälfte der Tiere war die Beleuchtung an die Sonnendauer angepasst (sechs Uhr bis 19 Uhr). Die andere Gruppe wurde sechs Stunden zeitversetzt beleuchtet: Das Licht wurde um Mitternacht angeschaltet und um 13 Uhr ausgeschaltet. Nachdem die Tiere sich an diesen Zeitrhythmus gewöhnt hatten, wurden sie um neun Uhr morgens 150 Meter von ihrem Fangort ausgesetzt. Die Tiere die im normalen Zeitrhythmus gehalten wurden, interpretierten die Richtung der Sonne am Morgen als Osten und liefen in die korrekte Richtung nach Hause. Die Tiere, die um einen Viertel Tag (sechs Stunden) zeitversetzt waren, empfanden neun Uhr als Mittags und hielten die Sonnenrichtung folglich für Süden. Sie liefen etwa um 90° in die falsche Richtung. [190Ellis-Quinn, B. A., & Simony, C. A. (2004). Lizard homing behavior: the role of the parietal eye during displacement and radio-tracking, and time-compensated celestial orientation in the lizard sceloporus jarrovi. Behavioral Ecology and Sociobiology, 28(6), 397–407.]
Mississippi-Alligatoren (Alligator mississippiensis) merken sich die Orientierung der Uferlinie um den Weg vom Land ins Wasser zu finden. Wenn das Ufer in Ost-West-Richtung verläuft laufen sie in Nord-Süd-Richtung um ins Wasser zu kommen.
Alligatoren wurden in einem Pferch an eine bestimmte Orientierung der Uferlinie gewöhnt und anschließend unter verschiedenen Bedingungen in unbekanntes Gelände gesetzt und beobachtet, in welche Richtung sie laufen [201Murphy, P. A. (1981). Celestial compass orientation in juvenile american alligators (alligator mississippiensis). Copeia, 1981(3), 638–645.]. Dabei haben die Tiere unter Tageslicht und unter klarem Sternenhimmel die korrekte Richtung gefunden, waren bei bewölkter Nacht aber orientierungslos. Eine Gruppe wurden außerdem mit sechs Stunden Zeitverschiebung gehalten und dann ausgesetzt. Wenn das Experiment am Tag durchgeführt wurde, haben sich die Alligatoren an der Sonne orientiert. Dabei sind sie um 90° in die falsche Richtung gelaufen - ein Zeichen dass der Sonnenkompass eine Zeitkorrektur besitzt. Wenn die Tiere nachts unter klarem Sternenhimmel getestet wurden, liefen sie in die korrekte Richtung. Der Sternenkompass ist nicht zeitkorrigiert.
Ein Versuch an Mistkäfern, die sich ebenfalls an polarisiertem Himmelslicht, Sonne und Mond orientieren und auch bei sternklaren mondlosen Nächten eine gute Orientierung zeigen, wurde in einem Planetarium durchgeführt [850Dacke, M., Baird, E., Byrne, M., Scholtz, C. H., & Warrant, E. J. (2013). Dung beetles use the milky way for orientation. Current Biology, 23(4), 298–300.]. So konnten gezielt einzelne Sterne ausgeschaltet werden um herauszufinden, woran sich die Tiere orientieren. Die Milchstraße - vermutlich generell die Helligkeitsverteilung am Nachthimmel - hat sich als wichtigster Parameter erwiesen. Alligatoren sehen vermutlich genauso wie Mistkäfer keine Sternbilder sondern orientieren sich an der Helligkeit des Nachthimmels.
[190] Ellis-Quinn, B. A., & Simony, C. A. (2004). Lizard homing behavior: the role of the parietal eye during displacement and radio-tracking, and time-compensated celestial orientation in the lizard sceloporus jarrovi. Behavioral Ecology and Sociobiology, 28(6), 397–407.
[201] Murphy, P. A. (1981). Celestial compass orientation in juvenile american alligators (alligator mississippiensis). Copeia, 1981(3), 638–645.
[850] Dacke, M., Baird, E., Byrne, M., Scholtz, C. H., & Warrant, E. J. (2013). Dung beetles use the milky way for orientation. Current Biology, 23(4), 298–300.
[16] DeRosa, C. T., & Taylor, D. H. (1978). Sun-compass orientation in the painted turtle, chrysemys picta (reptilia, testudines, testudinidae). Journal of Herpetology, 12(1), 25–28.
[291] Enright, J. T. (1961). Lunar orientation of orchestoidea corniculata stout (amphipoda). Biological Bulletin, 120, 148–156.
[292] Ferguson, D. E., Landreth, H. F., & Turnipseed, M. R. (1965). Astronomical orientation of the southern cricket frog, acris gryllus. Copeia, 1, 58–66.
[469] Foà, A., Basaglia, F., Beltrami, G., Carnacina, M., Moretto, E., & Bertolucci, C. (2009). Orientation of lizards in a morris water-maze: roles of the sun compass and the parietal eye. Journal of Experimental Biology, 212(2918), 2924.
[496] Freake, M. J. (1999). Evidence for orientation using the e-vector direction of polarised light in the sleepy lizard tiliqua rugosa. Journal of Experimental Biology, 202(9), 1159–1166.
[200] Freake, M. J. (2001). Homing behaviour in the sleepy lizard (tiliqua rugosa): the role of visual cues and the parietal eye. Behavioral Ecology and Sociobiology, 50(6), 563–569.
[198] Gould, E. (1957). Orientation in box turtles, terrapene c. carolina. Biological Bulletin, 12, 336–348.
[196] Gould, E. (1959). Studies on the orientation of turtles. Copeia, 2, 174–176.
[199] Gourley, E. V. (1974). Orientation of the gopher tortoise, gopherus polyphemus. Animal Behaviour, 22(1), 158–169.
[293] Landreth, H. F. (1973). Orientation and behaviour of the rattlesnake, crotalus atrox. Copeia, 1, 26–31.
[295] Taylor, D. H., & Ferguson, D. E. (1969). Solar cues and shoreline learning in the southern cricket frog, acris gryllus. Herpetologica, 25(2), 147–149.